Weihnachten 2024 – Predigt in Bad Westernkotten

Heilgabend 2024 – Predigt

Liebe Gemeinde,

auch wenn die Weihnachtsgeschichte, die ich gefunden habe und als Einstieg vorlesen möchte, auch wenn die für manchen Geschmack vielleicht etwas viel Augenzwinkern enthält, ich halte die für geeignet.
Natürlich habe ich nach Magdeburg und dem Anschlag noch mal lange überlegt, welche Stimmung man oder ich verbreiten dürfe oder nicht. Geholfen hat mir da ein Satz des Leipziger Trainers Marco Rose. Von dem ich nicht erwartet hätte zu hören: Wir können und sollen für all die Betroffenen beten. Was wir tun wollen. In Verbindung aber mit einem anderen Gedanken: Wenn wir als Folge der unzähligen Untaten von der Ukraine bis hin zum Nahen Osten und als Folge eines solchen Verbrechens uns nur noch zurückziehen, berechtigt trauern aber eben auch nur noch Angst haben, dann haben die, die solche Verbrechen begehen, dann haben die uns und unser Leben zerstört, uns in Haft genommen und sie haben gewonnen. Also lasst uns beten und tun, was wir tun können, aber lasst uns weiter dem Leben trauen und der Liebe, die stärker ist als aller Hass. Nur so wird es eine andere Welt geben und die Finsternis wird nicht das letzte Wort behalten.
Und so soll diese Geschichte, die ich gefunden habe, so eine Art Denkanstoß sein, oder eine Eselsbrücke oder so etwas wie ein Knoten im Taschentuch, um die Weihnachtsbotschaft daran zu festzumachen. Um zu merken und zu behalten, was Weihnachten bedeutet und gemeint ist.

So weit diese Geschichte. Und klar, Ausgangspunkt der Weihnachtsgeschichte, das war eine Steuerschätzung. Da ging es ums Geld. Aber das, was dann daraus wurde, das war eine ganz andere Art von Schätzung. Oder besser: Wertschätzung. Gott schätzt uns. Wir sind ihm unendlich wichtig und liegen ihm am Herzen. Er schätzt uns so sehr, dass er selbst einer von uns wurde.

Und das hat Konsequenzen. Zum einen und ersten, dass wir uns auch untereinander wertschätzen. Auch wenn das manchmal schwerfallen kann. Anerkennen, Hochhalten. Mit Empathie begegnen. Denn wie können und sollten wir die oder den abwerten oder gar niedermachen, den oder die Gott so sehr schätzt und wertschätzt. Und was da so banal klingt, ist alles andere als das. Im privaten und persönlichen Bereich sowieso. Aber auch in einer Welt, wo einer den anderen doch eher verachtet, in einer Zeit, wo an aller Welt Kritik geübt wird, wo nur noch, wie es oft scheint, mit Lust nach Fehlern gesucht und mit Shitstorm und Cancel-Kultur agiert wird. Und ich werde hier keine Lanze für die noch amtierende Bundesregierung brechen, aber hat irgendjemand mal erwähnt oder gar geschätzt, dass wir trotz allem Heinzungswirrwar, was sie veranstaltet hat, dass wir warm und mit zivilen Heizkosten durch diese Zeit seit dem Ukraine-Krieg gekommen sind? Einander schätzen, im Großen wie im Kleinen.

Noch wichtiger ist mir aber: Wenn Gott uns so schätzt, er auf unserer Seite, in unserer Mitte, und das ist nicht irgendwer, das ist der Herr aller Herren – und übrigens, man kann an den lieben Gott glauben oder nicht, es gibt ihn trotzdem – wenn Gott uns so schätzt, der Herr aller Herren, was verleiht uns das für einen Wert. Und was können wir dann unserer Stimme alles zutrauen. In Zeiten, die, so scheint es, immer finsterer werden. Wo Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeit immer noch wachsen und nachwachsen wie Unkraut. Unsere Stimme zu erheben gegen diese apokalyptische Grundstimmung und gegen das autokratische Gebrüll. Gegen Autokraten und Nationalisten ohne Ende. Weil er uns so sehr schätzt.

Mein Lieblings-Advents- oder Weihnachtslied dieses Jahr steht nicht im Gesangbuch, ist eigentlich auch nur zum Zuhören. (Das Lied ist von Leonard Cohen, dem kanadischen Poeten und Sänger, der 2016 gestorben ist. Sie kennen vielleicht sein „Halleluja“. Aber das Lied, das ich meine, heißt „Anthem“ = Hymne. Wenn sie es hören wollen: Cohen und Anthem = Hymne googeln). Dieses Lied bietet eine sehr nüchterne Zeitanalyse: Die Kriege werden weitergehen. Die heilige Taube, die Friedentaube, wird wieder und wieder eingefangen werden. Es gibt Gesetzlosigkeit und es gibt Scheinheiligkeit. Menschen, die töten, sprechen zugleich lauthals Gebete. Die Zeichen sehen nicht gut aus. Sie stehen auf Sturm. Also finster ist es, zappenduster. Und die Angst rieselt in jeder Pore unserer Gesellschaft.

Aber, so sagt und singt er dann: In jeder Finsternis, in jedem Dunkel, da ist ein Riss. Ein Riss, durch den Licht hereinkommen kann.

Keine Finsternis ist so geschlossen, dass nichts mehr durchdringen kann. In jeder dunklen Wirklichkeit, die unausweichlich scheint, gibt es eine Bruchstelle, an der sich die Dinge ändern können.

Die Welt ist noch da. Die Dunkelheit ist noch da. Aber durch einen Riss im System kommt Licht herein. Und Weihnachten, diese Wertschätzung Gottes, ist da mehr als nur ein Riss. Und in diesem Licht kann und wird die Welt nicht so bleiben, wie sie ist.

Amen