Markus 14, 3-9
Die Salbung in Bethanien Und als er in Bethanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. (4)Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? (5)Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. (6)Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. (7)Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. (8)Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. (9)Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.
Liebe Gemeinde,
manchmal ist es ganz interessant, solche Bibeltexte in eine Suchmaschine im Internet einzugeben. Habe ich gemacht: Mk für Markus, 14,3-9, also Kapitel 14, die Verse 3-9. Und habe als erstes gefunden: Preisvergleiche. Angebote und Preisvergleiche für Küchenmaschinen. Ja, ich weiß: Im Internet Millionen Klicks, Freiheit, Gleichheit, Thermomix. In diesem Fall allerdings Küchenmaschinen mit der Typbezeichnung Mk. Hat mit der Salbung in Bethanien ja jetzt nicht so viel zu tun. Aber, ich habe mir gedacht: „Ja, genau so ist die Welt. Was ist wichtig? Kaufen und berechnen, vernünftig und sinnvoll handeln.“ Wenn man dem Internet glaubt.
Und genau um das Gegenteil geht es in der Geschichte von der Salbung in Bethanien. Nämlich um das, was man nicht berechnen, was man nicht kaufen oder vergleichen kann. Um das, was man nicht erzwingen und eigentlich auch nicht suchen kann. Sondern es geht um das, was einem viel mehr gibt, und was einen viel reicher macht als alle diese Angebote und Konsumgüter. Denn die wichtigsten Dinge im Leben, die werden geschenkt. Und darum geht es, es geht um das, was Menschen da einfach aus Liebe tun, und was die Welt, was die Menschen nötig brauchen, wie die Luft zum Atmen.
Um Menschen geht es, wie diese Frau. Manche sagen, es sei Maria Magdalena gewesen, aber das ist nicht belegt. Aber um solche Menschen geht es, wie sie. Menschen, die einfach mal das scheinbar Unvernünftige tun, weil ihnen danach ist, aus Liebe zu einem Menschen oder zu einer Sache. Und die dann alles geben, was sie haben, ohne nachzufragen, ob es nutzt und welche Konsequenzen das für sie haben könnte. Ohne auf Anerkennung zu setzen. Aber egal, sie tun es. Und da geht der Himmel auf. Für sie und für die anderen.
So wie bei ihm, bei dem einen, der immer alles gegeben hatte, als er Gottes Liebe so verschwenderisch verteilt hatte. Sogar sich selbst. Und so wie bei dieser Frau, die wir in einem Lied von Emmaus einmal so beschrieben haben:
Nur für mich, für mich ganz allein hat sie das getan. Hat nicht überlegt, was bringt es mir? Nicht gedacht, was habe ich davon, keinen Gedanken an sich selbst. Nur für mich hat sie das getan. Menschen, die so sind, Menschen wie sie, die sich zurücknehmen können um der anderen willen, ihnen Raum verschaffen, freie Sicht und Luft zum Atmen. Ihre Lasten tragen und ganz einfach nur für sie da sind, solche Menschen halten die Welt in ihrem tiefsten Inneren zusammen.
Und darum wird man von dieser Frau und dem, was sie getan hat, immer wieder erzählen, bis an das Ende der Welt.
Und darum will ich auch von ihr erzählen, indem ich von denen erzähle, die das genauso konnten und können wie sie: alles geben und alles aus Liebe geben. Das Ganze natürlich auch unter der Frage, denn es geht um kostbares Öl, das den ganzen Raum mit einem Duft erfüllt, dem sich niemand entziehen kann, das unter der Frage: Wie riecht dann der Glaube? Aber das erst am Ende.
Alles geben und alles aus Liebe geben, und der Himmel geht auf. Wie bei dieser Frau, beschrieben in einem Gedicht von Kurt Marti:
sie hat nicht von sich reden gemacht
sie war in keinem Verein
sie wurde geboren
besuchte die schule
danach Friseuse
sie heiratete später
gebar ihm zwei kinder
verlor ihn wieder
und war wie man sagt
eine gute gattin und mutter
aber wer spricht von der lustigkeit ihrer augen
wer redet davon wie wohl es uns tat nur schon die anmut zu sehen
mit der sie das haar aus der stirne sich strich
oder wer erklärt die magische kraft ihrer einfachen worte
und wer beschreibt den beweglichen zauber der kleinen tüchtigen hände
oder wer lobt gott für das geschenk ihres herzhaften lachens?
sie hat nicht von sich reden s
ie hat zwei oder drei männer
sie hat ihren gatten
sie hat ihre kinder
sie hat sich selber glücklich gemacht
und das ist mehr als wir denken
Alles geben und alles aus Liebe geben, auch, weil nicht alles berechenbar ist und man nicht weiß, was kommt.
Der 35. Geburtstag von Herrn Hunzicker war eigentlich nichts Besonderes, und so hatten sich viele der Freunde gewundert, dass es eine schriftliche Einladung zur Feier im Kulturzentrum gab. Und als sie dann zur Feier kamen, gab es für alle eine riesige Überraschung: Ein überregional bekanntes Orchester war für eine Stunde eingeladen worden.
Das Geburtstagskind selbst hatte davon nichts gewusst. Alles wurde heimlich von seiner Frau vorbereitet. Trotz der guten Stimmung konnte man an verschiedenen Tischen immer wieder das gleiche hören: „Das ist doch wirklich übertrieben“, „so eine Verschwendung“, „so ein Orchester kostet doch wahnsinnig viel Geld“, von 10 bis 15000 € war die Rede. „Auch wenn seine Frau so viel Geld hat, kann man doch mit dem Geld Vernünftigeres machen“ „Wir lassen es hier krachen und wo anderes verhungern die Menschen.“ Man sagt das so, und – genau genommen, das ist ja auch nicht falsch. Doch das zu wissen ist nicht alles. Was niemand gewusst hat war, dass diese Feier die letzte große Feier von Herrn Hunzicker mit seinen Freunden war. Zwei Wochen später war er tot. Niemand hatte gewusst, dass Herr Hunzicker sterben wird. Wirklich niemand? Eine hatte es geahnt.
Alles geben, und sei es Verschwendung, doch der Himmel geht auf.
In einer Gemeinde weiter weg, so habe ich mir erzählen lassen, da wurde in Zeiten der knapper werdenden Finanzen über den Abendmahlswein diskutiert. Und jemand sagte: „Wir müssen sparen. Auch beim Abendmahl. Ich habe einen Wein entdeckt, 1 Liter für 99 Cent. Ich schlage vor, den zu nehmen.“
Bei der Diskussion wäre ich gern dabei gewesen. Der billigste Wein für Gott? Gottes Güte in Form einer zusammengepanschten Plörre aus diversen Billigweinen? Wie soll man von Gottes Güte, seiner Großzügigkeit, auch seiner Gastfreundschaft und Liebe, wie soll man etwas davon merken, wenn man den billigsten Fusel ausschenkt? Wie erfahren, wie das Leben aus seiner Hand schmeckt, wenn alles immer so schrecklich nüchtern und vernünftig sein soll. Wie soll man merken, wie das ist mit grenzenlose Liebe und Freiheit, auch über den Tod hinaus, wie soll man davon erfahren, wenn man nur rechnet und knausert? Es immer nur darum geht, was machbar ist? Das gilt übrigens auch für unsere Kirchen und für unsere Gottesdienste.
Darum geht es in Bethanien, um diese Fragen und diese Haltung. Um Menschen geht es, die einfach mal das Unvernünftige tun, weil ihnen danach ist, aus Liebe zu einem Menschen oder aus Leidenschaft zu einer Sache. Und die dann alles geben, was sie haben. Und da geht trotz aller Leidensgeschichten oder Passionen der Himmel auf. Für sie und für die anderen. Und sie halten die Welt im tiefsten Inneren zusammen.
Darum, seid großzügig, wenn ihr etwas gebt oder von ihm, von Jesus, weitergebt. Seid grenzenlos optimistisch in dem, was ihr von ihm erhofft. Habt den Mut, auch mal unvernünftig zu sein, wenn es um die Möglichkeiten Gottes geht und um das, was werden kann und soll aus unserer Welt. Und seid freigiebig, überschüttet die anderen mit guten Worten und Gesten.
Und – es geht um kostbares Duftöl, das in alle Nasen steigt, und an dessen Wohlgeruch alle teilhaben – : Wie riecht dann der Glaube?
Jedenfalls nicht muffig und altgeworden. Jedenfalls nicht steril und sparsam und wie gescheuert. Und auch nicht nach dem Plastik- oder Ölgeruch der Rechenmaschine oder nach verstaubten Akten. Nicht nach Sparprogrammen, die das kirchliche Angebot immer ärmlicher machen, Kirche von einer „Komm.-her-Kirche“ zu einer „Fahr-hin-Kirche“ verwandeln. Sondern der Glaube duftet befreiend und verschwenderisch. Denn der Glaube ist doch der Glaube an ihn, der sich selbst hingegeben hat, koste es, was es wolle, und der Grenzen, Gesetze, Höllentore und Gräber gesprengt hat
So ist Gott, und so ist er zu uns, und so handelt er.
Wie riecht also der Glaube? Vielleicht wie ein Morgen im März oder April, an dem die Sonne scheint, an dem einen die Helligkeit ganz anders aufstehen lässt als sonst, an dem man sich nicht mehr vor winterlicher Kälte in sich zusammenzieht, sondern sich wohlig streckt und eine nie geahnte Großzügigkeit spürt. Und an dem man die Nase nach draußen steckt. Und es dann dem ersten besten sofort weitersagen muss: „Merkst Du es auch? Es riecht nach Frühling.“ So riecht der Glaube.
So sei es. Oder auf Griechisch: Amen