28. Januar 2018 – Jakobikirche Lippstadt

1. Korinther 9, 24-27

Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt.

(25)Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen.

(26)Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt,

(27)sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.


Liebe Gemeinde,

Sie haben die Worte des Apostels sicher noch im Ohr: „Einer empfängt den Siegespreis. Lauft so, dass ihr ihn erlangt. … Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge. … Ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn.“ Das klingt ja fast schon so, wie der Trainingsplan von Borussia Dortmund. Obwohl der von einem unreifen Kindskopf namens Aubameyang gerade boykottiert wird. (Aber in den Füßen hat er Qualität.) Oder es klingt wie die Ansprache des Co-Trainers von Arminia Bielefeld im letzten Mai vor dem entscheidenden Spiel gegen den Abstieg. Vielleicht haben Sie das auch gehört oder gesehen. Es ging durch alle Medien, was hat der die da heißgemacht. Und mit Erfolg.

Aber, auch wenn das jetzt mancher schade findet, es geht ja erstmal nicht um Fußball. Erstmal. Davon mal abgesehen, dass es den damals noch gar nicht gab. Sondern es geht hier natürlich zuallererst um Religion, um den Glauben. Allerdings verglichen mit Leistungssport. Also, schaun wir mal. Wie ein mittlerweile ziemlich angekratzter Kaiser früher zu sagen pflegte.

Früher, im Konfirmandenunterricht, da habe ich gerne so Tests mit Augenzwinkern verteilt. Mit ernsteren und weniger ernsten Fragen, und jeweils mit 4 Antwortmöglichkeiten, von denen auch mehrere richtig sein konnten.

Und eine der Fragen samt Antworten war mal:

Was ist ein Presbyter?

  • a. ein Ältester
  • b. ein Geldsammler
  • c. ein Weltmeister im Beten
  • d. ein Kirchenvorsteher

Alle Jugendlichen hatten zumindest eine Antwort richtig – meist Kirchenvorsteher – , manche sogar 2, denn die wussten natürlich auch, dass die Presbyterinnen und Presbyter bei uns das Geld einsammeln. Oder sie ahnten, dass das Wort aus dem Griechischen kommt und darum mit „Ältester“ zu übersetzen ist. Nur „Weltmeister im Beten“, das hatte niemand angekreuzt. Gut so und richtig so. Obwohl, in Zeiten, wo die Bibel mittlerweile zum Eintrag ins Buch der Rekorde in Geschwindigkeit am Stück runtergelesen worden ist. Oder, siehe 2017, das Lutherjahr, wo sich Städte, Gemeinde und Regionen fast einen historischen Mehrkampf geliefert haben. Nur um sagen zu können: Ja, Luther war auch bei uns, wir sind auch Kernland der Reformation. Ja, da würde es mich doch auch nicht mehr wundern, wenn irgendjemand auch noch das Beten oder den Gottesdienst oder die ganze Religion zur Wettkampfdisziplin machte. Nur, und das Urteil der Konfirmanden spricht ja auch Bände: geht nicht.

Wirklich nicht, oder suggeriert uns das nur unsere Bequemlichkeit? Denn, und das lässt sich ja nun mal nicht wegreden, so viel theologische Purzelbäume, das geht nicht, in diesem Predigttext, da hat das der Apostel wirklich so geschrieben und gemeint: Der Glaube im Vergleich mit dem Sport, verbunden mit der Aufforderung, auch da ordentlich zu trainieren mit dem Ziel, ein Sieger, eine Siegerin zu werden. Also auch hier in Kirche und Gemeinde aus sich selbst das Optimale herausholen, um Gewinner oder Gewinnerin des Glaubens zu sein. Und darum: Training, Einsatz, Leistung. Um sich – oder die ganze Gemeinde – an die Spitze zu bringen.

Und trotz des Vetos meiner Konfirmanden, da entsteht ja doch und sofort vor meinem inneren Auge – die Nicht-Fußball-Fans mögen mir ein zweites Mal verzeihen – ein ganz neues Pfarrerbild: Von wegen Seelsorger. Nein, der Pfarrer als Cheftrainer.

„Liebe Gemeinde! Jetzt ist aber Schluss mit lustig und bequem und „Herr Pastor, machen Sie mal“. Von wegen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und die Dinge des Glaubens immer schön wegdelegieren. Von wegen „Gehen wir heute in die Kirche oder nicht“. Jetzt wird aber für den Glauben und die Gemeinde so was von trainiert. Mindestens 4 Gottesdienstbesuche im Monat! Sonst Ausscheiden schon in der Vorrunde. Jeden Sonntag nicht unter zwei Nachbarn oder Kollegen in die Kirche einladen und mitbringen! Sonst Punkteabzug. Bei mehr Geworbenen oder Missionierten: selbstverständlich Zusatzpunkte. Beten jeden Tag nicht unter 45 Minuten, alles andere ist nicht wettbewerbsfähig, verspricht keinen Erfolg. 50 Kirchenleder auswendig, genau so viele Bibelabschnitte! Alles, was drunter liegt ist Kreisklasse und zwar zweite. Ja und die Spenden. Von wegen die Kupfermine im Klingelbeutel entsorgen. Jeden Sonntag Scheinwerfersonntag, da werden nur Scheine geworfen. Macht bei der Kollekte nicht so einen Lärm. Ich will nur Rascheln hören. Andernfalls Disqualifikation.

Sie merken schon, wie ich mich in die Rolle des Gemeindetrainers hineinsteigere. Schließlich haben Otto Rehagel und jetzt auch noch Jupp Heynckes auch noch im Rentenalter trainiert. Der letzte mit Erfolg und sogar gegen das Veto seines Schäferhundes. Und was die können. Das wäre es doch für mich. Wenn jetzt dann auch noch das Gehalt dieser Trainer für mich dazu käme. Aber in diesem Vergleich steckt zugleich die erste Warnung, der erste Einwand: „Von wegen Unkündbarkeit als Pastor. Weißt du, wie schnell so ein Trainer gefeuert wird?“ Und der erste dieses Jahr, Herr Gisdoll in Hamburg, das war ganz sicher nicht der letzte. Oder der Trainer von Kaiserslautern: Zusammenbruch in der Pause. Wichtiger aber noch der Satz des Apostels, auch ein Einwand gegen solche Phantasien: „…damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.“ Ich kann und soll und darf nicht den Leuten Wasser predigen und selbst Wein trinken. Ich stehe dann genauso auf dem Prüfstand. Und müsste dann durchaus eben auch auf so manche Annehmlichkeit und Bequemlichkeit verzichten: „Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge.“ Schwierig, denn Askese und Verzicht gehören ja nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, zu Ihren höchstwahrscheinlich auch nicht.

Außerdem, auch wenn ich schon finde, dass junge Millionäre im Fußballtrikot da für ihren Wert mehr als nur geradestehen sollten, außerdem vielleicht doch der wichtigste Einwand gegen all diese Vergleiche: das alles klingt ja letztlich dann so, als könne und müsse man sich die Gnade Gottes erleisten oder verdienen. Und das verträgt sich nun nicht mit dem Evangelium. Also mit der Botschaft oder Zusage: „Du bist schon gerettet. Du bist angenommen, du bist geliebt von Gott und akzeptiert und getragen, und das bedingungslos. Und eben nicht, weil du so gut bist oder so viel kannst oder so viel leistest. Sondern einzig und allein, weil Gott dir das geschenkt hat und immer wieder zusagt: Du gehörst zu mir.“

Also, man muss die Sätze des Apostels also wohl doch von einer anderen Seite her bedenken. Und ich denke, genau da setzt Paulus an. Zu dieser Zusage des Evangeliums, für die Jesus eingestanden ist bis zur letzten Konsequenz, da steht er auch, ohne Einschränkung. Kann man in fast jedem seiner Kapitel nachlesen. Aber sagt dann eben hier: Liebe Schwestern und Brüder. Gott hat euch schon gerettet. Gott hat was aus euch und eurem Leben gemacht. Und Gott hat euch damit so viele Möglichkeiten und Begabungen und Chancen gegeben, lasst das nicht schlampen. Ruht euch darauf nicht aus. Lasst das und euch nicht verkommen. Macht was draus.

Ein Auto, das in der Garage geschont wird und niemanden befördert, ist überflüssig und hat seinen Zweck verfehlt. Brennholz, das nur aufgestapelt rumliegt und nicht wärmt, ist überflüssig. Eine Kerze, die nur als Dekoration da steht und kein Licht gibt, ist nicht ihrer Bestimmung gemäß eingesetzt. Und ein Muskel, der nicht gebraucht und trainiert wird, verkümmert. Und wenn Christinnen und Christen – um das letzte Bild aufzugreifen – kraftlose Skelette sind, dann hat sich Gott das so ganz bestimmt nicht gedacht und hat das nicht gewollt. Denn was wären solche Gerippe für ein erbärmliches Zeichen seiner Größe und Gnade und seiner Möglichkeiten.

Also seid Christen und seid es offensiv und seid es gern.

Und es heißt zwar: „Einer empfängt den Siegespreis“. Aber wenn man sich den anschaut, dann hat das mit diesem Gefälle von Gold, Silber und Bronze nicht viel zu tun. Ein Preis für jeden und jede ist das. Ein unvergänglicher dazu. Eine Lebensgewissheit, die trägt. Eine Zusage: ich halte dich mit einer Liebe, die stärker ist als alle Wechselfälle des Lebens. In diesem Leben und noch eine ganze Ewigkeit dazu. Und wenn das das Allmächtige sagt, wieviel mehr ist das und ist das wert als eine Meisterschüssel, eine Torjägerkanone oder massenweise Geld, das doch nicht ins letzte Hemd passt.

Bleibt doch noch eine Frage, um die man ja anscheinend in einer nicht mehr so ganz religiösen Gesellschaft nicht umhinkommt: Und wer hat was davon? Und was habe ich davon?
Zum ersten, wer etwas davon hat: natürlich die Kirche und Gemeinde. Wenn die Form das Gefäß des Geistes ist, wie stände eine Kirche oder auch eine Gemeinde da, wo sich die Leute wirklich bemühen, um fit und in Form zu sein. In Gedanken und Gebeten, im Singen und Feiern, in Worten und Werken.

Und zum anderen, was ich davon habe: Mindestens genauso viel. Wenn ich mich fit und in Form halte, mich bezwinge und Zähme, und wenn ich meine Seele immer wieder aufpoliere oder aufpolieren lassen, dann kommt das nicht zuletzt mir mehr als nur zugute. Denn es gilt nicht nur der Satz Martin Luthers: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan.“ Ich halte auch das Zitat von Mathhias Claudius für bedenkens- und auch für erstrebenswert: „Niemand ist frei, der nicht über sich selbst Herr ist.“

Amen