6. Mai 2020

Tageslosung

Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen und das Höckerige zur Ebene.

Jesaja 42,16

Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Lukas 1,78-79

Zugeben muss und kann ich schon, dass es so finster zumindest für uns zur Zeit nicht ist. Wir haben Haus und Garten, wir können raus in die Natur, wir haben eine ganze Menge Leute, mit denen wir reden können, wenn auch leider immer noch auf Abstand. Es ist also wenig Grund zur Klage, wenig Grund zum Jammern über die Finsternis, die wegen Corona über uns hereingebrochen ist. Außer, wenn ich mir die Maske rüberzwinge, dann wird es schon finster, zuerst für die Augen, dann für Nase und Gemüt. Aber was soll es. Das ist immer noch ein Klagen auf hohem Niveau.
Da gibt es ganz andere Geschichten und Schicksale, angefangen von Kindern, die nicht spielen können bis hin zu Alten und Kranken, die sich mehr als nur weggesperrt fühlen müssen. Und denen sollten die Verse des Tages zuallererst gelten. Und ihre Erfüllung.

Aber so ganz frei von finsteren Gedanken ist unsereiner ja auch nicht. Da bekomme ich gestern einen Brief vom Kreiskirchenamt. Leichte Skepsis macht sich breit bei der Frage, was mich da wohl wieder erwartet. Beim letzten Brief waren es Geburtstagswünsche der Präses, aber das war fast ein „Kettenbrief“, denn der war vorgefertigt, viel früher schon entworfen, und sie fragte dann unter anderem rein rhetorisch, ob ich denn wohl groß zu feiern gedenke. Mitten in der Corona-Krise. Ich denke allerdings, das war Frau Kurschus nicht selber, dafür hat sie Leute. Leute, die …. deneken Sie sich diesen Satz einfach selbst zu Ende
Zurück zum Brief gestern und der empfundenen Skepsis. Die Nachricht über Kurzarbeit konnte es nicht sein, aber vielleicht Neuigkeiten bezüglich der Pension? Nach der großen Kürzung unserer Gehälter in den 90ern hätte ich mich in diesem Fall nicht gewundert, wenn mit Hinweis auf rückläufige Einnahmen durch die Corona-Krise mal wieder der Rotstift angesetzt werden sollte.

Der Inhalt des Briefes hat mich dann doch überrascht. Der Superintendent schrieb, dass eine Frau, die wir anscheinend alle kennen, Kleider auf die Nähmaschine gelegt habe, um für alle von uns einen Mundschutz zu nähen. Der lag dann dem Brief bei, siehe Foto. Und das fand ich nicht nur rührend, das fand ich toll. Grüße an die Dame, die anscheinend unbekannt bleiben möchte.
Wobei ich beim Fotografieren dann aber doch lieber meine kleine Luther-Statuen auf das Papier gestellt habe. Nicht zuletzt, um Standfestigkeit und auch den Willen zu bekunden, mir doch nicht immer alles gefallen zu lassen.
So richtig traue ich meiner Kirche nämlich doch nicht über den Weg, wenn es um Finanzen geht. Denn, war die Tatsache, dass diese Maske zu klein und zu eng für mich war, vielleicht doch ein Zeichen im Blick auf das, was da noch kommen wird?

5. Mai 2020

Tageslosung

Gott breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens.

Hiob 9,8.9

Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare.

Kolosser 1,15-16

Es lohnt schon, bei manchen Sätzen und Gedanken näher hinzuschauen, anstatt das sofort abzunicken. Die Tageslosung klingt plausibel, sie klingt auch nach Verehrung und Lob Gottes. Doch wenn man nach dem Zusammenhang fragt, erkennt man noch ein anderes Interesse.
Es geht um Hiob, diesen von Gott und dem Leben geplagten Mann, der, wie ich finde, zu Recht hadert und dabei auch mit Gott über Kreuz liegt: „Warum ich, und warum tut er mir das an, und womit habe ich das verdient?“
Und dann kommen drei Freunde, die man auch die drei Tröster nennt, und versuchen, ihn von dieser Haltung abzubringen. Unter anderem eben mit der Aussage, Gott sei so groß und sei über alles erhaben, da wisse der schon, was und warum er das tue. Deswegen habe Hiob einerseits kein Recht, zu klagen oder sich mit Gott anzulegen, und andererseits solle und müsse er das annehmen: „Gib dich zufrieden und sei stille.“ Ich habe das in diesem Blog schon mal zitiert.
Da ist nichts Falsches dran, aber ist das auch menschlich oder gar barmherzig? In meiner Anfangszeit als Pfarrer war es durchaus normal und üblich, bei Beerdigungen einen anderen Vers aus dem Buch Hiob zu zitieren: „Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen; der Name des HERRN sei gelobt.“ (Hiob 1,21) Das wurde auch gesagt bei Beerdigungen von Kindern. Ich fand das grauselig und konnte das nie sagen.

Es lohnt sich, manchmal genauer hinzuschauen, wenn wer was sagt. Und man kann Dinge auch so oder so sagen, gerade in der jetzigen Krise mit all ihren Beschränkungen und möglichen Folgen.
Von einem Politiker der Grünen stammt die Aussage: „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“
Von Bundestagspräsident Schäuble soll der Gedanke in einem Interview geäußert worden sein: Der Mensch hat ein Recht auf Leben, aber nicht auf Unsterblichkeit.
Ich will beides hier nicht kommentieren, aber die Frage, die dahinter steht, bewegt mich schon.

Vier meiner ehemaligen Konfirmanden sind betroffen, so oder so. Und das sind nur die, von denen ich das weiß.
Der eine ist Event-Manager, wie man heute sagt, gerade am Anfang seiner Laufbahn. Der muss sich jetzt irgendwie über Wasser halten, Rücklagen hat der noch keine.
Der zweite hat viel mehr Zeit als sonst, nutzt sie, um die Gottesdienste der Gemeinde ins Internet zu bringen, aber der hat eben auch einen richtigen Beruf.
Der dritte ist im Catering-Geschäft, einer der Hauptkunden ist die Lufthansa. Und die fliegt nicht mehr.
Und der vierte hat gerade noch 2 Tage Arbeit die Woche, und, das merkte ich, als mit ihm sprach, macht sich angesichts seines Alters da schon seine Gedanken, wie es weitergehen wird.
Und dann ist da noch der Asylbewerber aus unserer Gemeinde, dem in seinen 10 oder 12 qm die Decke auf den Kopf kommt. Ab und zu versuche ich, ihn zu treffen. Und – und – und.
Da ist allerdings auch der Eventservice in Anröchte, der auf seinem Gelände so eine Art Drive-In-Kirmes eröffnet hat. Die Autos stehen Schlange, 60 bis 90 Minuten Wartezeit. Und wenn deutsche Autofahrer so was in Kauf nehmen, dann weiß man, dass es uns und unserem Leben da zur Zeit an einigem fehlt.
Bestimmte Fragen werden wohl – siehe oben – gestellt und beantwortet werden müssen. So oder so. Ich hoffe, barmherzig und richtig.

Und suche dabei immer wieder nach Bildern dafür, dass das Leben weiter geht. Zwei habe ich gestern gefunden, wobei man bei dem einen etwas genauer hinschauen muss, um die Entenfamilie zu erkennen. In meinem nächsten Leben werde ich ein besseres Teleobjektiv am Smartphone haben oder mehr Geduld, auf das bessere Bild zu warten. Versprochen.

4. Mai 2020

Tageslosung

Die er aus den Ländern zusammengebracht hat von Osten und Westen, von Norden und Süden: Die sollen dem HERRN danken für seine Güte und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut.

Psalm 107,3.8

Der Knecht im Gleichnis sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.

Lukas 14,22-23

… dass mein Haus voll werde.
Das wird wohl noch dauern. Gestern in der ja immerhin geöffneten Kirche war zu hören, dass es bei uns wohl am 17. Mai wieder mit Gottesdiensten losgehen würde. Allein die Informationen über das Sicherheitskonzept, die wir dann zu hören bekamen, hatten etwa Predigtlänge. (Wie war das nochmal? Eine gute Predigt darf über alles gehen, nur nicht über 10 Minuten? So lange war es aber nicht.) Aber es hörte sich ein bisschen so an, als müssten vor Beginn des Gottesdienstes alle erstmal eingenordet werden, wobei ich Küsterin und Presbyterium als Ordnungskräfte schon jetzt bedaure. Und die Gottesdienste würden wohl in verkürzter Form gefeiert werden. Falls nämlich mehr Leute kämen als reindürften, könne man gleich noch einen zweiten Gottesdienst anbieten. Wenn ich da an die Besuchszahlen vor der Krise denke, würde ich mir in dieser Richtung allerdings nicht allzu sehr den Kopf zerbrechen.

… auf dass mein Haus voll werde.
Eine Lösung weiß ich da jetzt aber auch nicht, weder zur Frage, wie Gottesdienste endlich wieder und ohne Einschränkung gefeiert werden können, vor allem auch mit Musik und Gesang, noch zu der angesprochenen oder erwarteten Menge der Menschen, die in die Kirche kommen und so das Haus Gottes füllen – sollen? – müssten? – würden?

In solcher Zeit freue ich mich um so mehr über die vielen Kreuze und Bildstöcke in unserer Umgebung. Einige davon habe ich gestern beim Maispaziergang fotografiert, einschließlich eines Gottesdienstplatze im Freien, inklusive Kanzel. Ob jemand weiß, wo das ist?

Noch eine Bemerkung zum Thema Mai oder Maiwanderung. Heute Morgen bekam ich die Nachfrage: Was habt Ihr denn da gestern auf der Straße gespielt? Das erste habe ich gekannt. Das war „Ein kleiner Matrose umsegelte die Welt.“ Das andere war mir unbekannt.
Das zweite war ein Spiritual: „Somebody´s knocking at your door.“ Das erste Lied war mir besser bekannt unter dem Titel „Der Mai ist gekommen“. Aber es stimmt, es ist die gleiche Melodie. Da wäre ich nun nicht drauf gekommen, schon lange nicht am 3. Mai.
Solche Doppelungen aber gibt es öfter. Versuchen Sie mal, „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“ auf die Melodie zu singen von „Am Brunnen vor dem Tore“. Oder umgekehrt. Das geht. Probieren Sie es aus.

3. Mai 2020

Tageslosung

Abner rief Joab zu: Soll denn das Schwert ohne Ende fressen? Weißt du nicht, dass daraus am Ende nur Jammer kommen wird?

2. Samuel 2,26

Zum Frieden hat euch Gott berufen.

1. Korinther 7,15

Jubilate heißt der heutige Sonntag: Jubelt! Freut Euch, und lasst es alle hören und spüren! Ich bin noch auf der Suche nach dem Grund zum Jubeln.
Dass zur Zeit Frieden und soziale Gerechtigkeit, Klima und Umwelt kaum noch ein Thema sind, kann es nicht sein.
Dass eine Freundin gerade anfragt, ob heute Gottesdienst ist, und ich muss es verneinen, auch nicht. Zumal die Katholiken ja wieder anfangen.
Der Zustand der Politik im Großen wie im Kleinen, wo mittlerweile alle ihr eigenes Süppchen kochen bis hin zu einzelnen Bundesländern mal wieder, macht mich auch nicht fröhlicher.

Ich suche nach Ersatz. Das Wetter? „Ist der Mai kühl und nass, füllt´s dem Bauern Scheune und Fass.“ Ein kleiner Trost ist das schon, wenn man auf einem Landstück Gemüse anbaut, das zugegebenermaßen allerdings nur etwas größer ist als ein Handtuch. Aber es sprießt, leider auch das Unkraut. Ich werde dem morgen zu Leibe rücken.
Und das ist es heute für mich: Sich nicht hängen lassen, sich nicht selbst bemitleiden. Morgen das Unkraut, gleich packe ich meine Posaune und fahre zur Kirche. Und werde spielen: Tut mir auf die schöne Pforte. Und lese vorher noch mal das Gedicht von Inge Müller.

Über-Springer

Schon wieder Montag!
Überspringen müsste man diesen Tag.
Oder gleich die ganze Woche.
Mit einem Satz bis zum Wochenende.
Denn Freitagabend beginnt das Leben.

Schon wieder Winter!
Überspringen müsste man diese Jahreszeit.
Oder gleich von Oktober bis Mai.
Mit einem Satz in den Wonnemonat.
Denn mit dem Frühling beginnt das Leben.

Schon wieder Alltag!
Überspringen müsste man ihn.
Mit einem Satz bis zum
Geburtstag
Hochzeitstag
letzten Arbeitstag.
Denn mit der Pensionierung beginnt das Leben.

Manchmal denke ich,
mein letzter Tag wird ein Montag sein,
ein ganz alltäglicher, armseliger Montag,
mitten im Winter.
Aber er wird mir sehr kostbar erscheinen.
Keine Minute werde ich überspringen wollen
und wünschen,
ich könnte mir all die anderen
kleinen, unscheinbaren Montage
noch einmal genau ansehen
unter der Zeit-Lupe

Und vielleicht hat der Alte Kornspeicher ja bald auch mal wieder geöffnet, so wie viele andere Kneipen und Restaurants auch auf die Wiedereröffnung warten.

2. Mai 2020

Tageslosung

Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir.

Psalm 51,13

Wir danken Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes.

Kolosser 1,3.13

„Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.“ (Bert Brecht)
Man könnte in diesen Tagen diese Liste noch um einiges erweitern: nicht mehr mit ihm reden, seine Kontakte einschränken, ihn isolieren, ihn als Risikogruppe ausgrenzen, ihn in seiner Not allein lassen, auch in seiner letzten Not, wie die protestantische Tradition das ausdrückt.

Wie schon oft gesagt, ich möchte die ganzen derzeit geforderten Entscheidungen nicht treffen müssen. Aber je länger diese Zeit dauert, desto stärker melden sich solche Gedanken bei mir, und das schon länger nicht mehr nur im letzten Hinterstübchen. Und alle, die mir dazu einfallen, tragen das zwar immer noch mit einer Mischung aus Gleichmut und Humor oder auch Galgenhumor. Aber ich spüre schon, wie sie auch leiden, angefangen damit, kaum noch jemanden zum Reden zu haben, bis dahin, niemanden in den Arm nehmen zu dürfen. Da bekommt für mich die Tageslosung so einen ganz anderen und auch leicht bitteren Unterton. Und ich hätte es schön gefunden, wenn beim zweiten Bibelvers statt 1,3.13 zwar die gleichen Zahlen zu lesen wären, dies aber in anderer Schreibweise: 13,13. Dazu dann aber auch noch: 1. Korinther. Wer es nicht weiß, kann ja nachschlagen. Ich kenne da so ein Buch …

Noch ein anderer Vers ist in diesem Buch auf den ersten Blättern zu lesen: „So lange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Ich würde gern ergänzen: Corona aber schon. Das kam mir in den Sinn bei dem Himmel, der gestern Abend bei uns zu sehen war.

Und als mir eine Freundin heute Morgen noch ein anderes Bild schickte, da hatte ich noch einen zweiten Grund, mich auf etwas zu freuen.